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in die Ecke gedrängt

Heerdt in die Ecke gedrängt

Wenn man von Heerdt nach Neuss will, kommt man im lieblich klingenden Barbaraviertel (uralte Barbarakapelle) durch eins der grausigsten Industriegebiete Düsseldorfs. Es ist, als ob Neuss den Abfall, den Verrat durch bestrafend scheußliche Bauten offenkundlich machen will. Heerdt liegt sowieso im Abseits, schwer erreichbar. Umgekehrt gibt es die gleiche Distanz. Wenn die Oberkasseler nach Ddorf fahren, sagen sie „in die Stadt“, die Heerdter sagen „nach Düsseldorf“.
Vom Rhein bedroht, wie sonst niemand, von Neuss begehrt, später von Ddorf, dann aber fallen gelassen wie der Mohr, der seine Schuldigkeit getan, denn Oberkassel wurde das Objekt der Begierde. Heerdt blieb nur die Rolle einer riesigen Verkehrsspinne. Heute brausen wir auf Autobahnen über Heerdt und an Heerdt vorbei
Das Kirchspiel Heerdt, also der Mittelpunkt des linksrheinischen Düsseldorf mit den Bauernschaften Ober- Niederkassel und Ober-Niederlörick, war zwar von Anfang an Neuss und somit Köln untertan, entwickelte aber im Kampf um den Hafen bald eine eigene Position. Um z.B. dem Mühlenbann der Geismühle (existiert immer noch, 10 km weit bei Ossum) unter Amt Linn zu entgehen( Köln besaß die Ämter Neuss, Kempen, Uerdingen und Amt Linn mit 5 Kirchspielen, darunter Heerdt und Büderich), kauft Heerdt 1574 eine eigene Mühle mit Mühlenbann auf dem Himmelsberg(Sie wurde 1923 von belgischen Soldaten als Schießplatz benutzt, dann abgerisen, heute gibt es neben dem Friedhof nur noch die Strasse “am Mühlenberg“)

Am Anfang von Heerdt standen zwei Damen: das Damenstift von Haus Meer im Norden und das Damenstift von Quirinus Neuss im Süden( als Kloster von Gladbach aus schon 950 gegründet). Später kommen die Städte Neuss und Ddorf und mit ihnen zwei Machtbereiche Köln gegen Jülich/ Berg
Heerdt steht immer in der Mitte und wird zerrissen
Die mächtigen Damen von Neuss (eine Äbtissin, Schwester des Papstes, hatte die Gebeine des Märtyrers Quirinus von der via appia in Rom nach Neuss geholt) bauen 1100 den Hof Heerdt und 1150 die Kirche. Neuss wurde Hauptstadt im Kölner Niederstift und in den Wirren der Reformation, des Kölner Truchsesskrieges, werden dann Neuss und Heerdt zerstört

Seit 1250 etwa beginnt die Tragödie von Neuss.
Der Rhein prallt vom Hochufer Grimmlinghausen ab in Richtung Hamm, zerstört dabei 1446 das Dorf Niel, verlegt sein Hauptbett von Neuss weit weg nach Osten. Der Zoll war deswegen 1372 nach Zons verlegt worden Seit dieser Zeit suchen die Neusser nun schon 800 Jahre lang wieder neuen Zugang zum Rhein. Sie lenken die Erftmündung vom Süden weg in einen Altarm des Rheins (Erftkanal), der südlich von Heerdt in den neuen jetzigen Rhein mündet. Im 19. Jh bietet das dann die genutzte Chance, einen Neusser Riesenhafen zwischen Erftkanal und Rhein zu bauen, größer als in Ddorf, der in diesen Tagen ja auch Ddorf schluckt
Damals gehörte die neue Erftmündung aber zu Heerdt und damit beginnt der Kampf Neuss gegen Heerdt.
Heerdt besaß in seiner Blütezeit im 19. Jh die Mündung des Neusser Erftkanals, dann einen eigenen Hafenkai, dazu die einzige und modernste Eisenhütte weit und breit. Aber Heerdt pokerte zu hoch, lavierend zwischen Ddorf und Neuss verlor es am Ende seine eigene Seele.
Heerdt liegt ähnlich wie Neuss auf der höheren Niederterrassenkante Der Rhein muß hier am Himmelsberg eine Kurve zurück machen, weil aber diese früher sanfte Kurve durch die Rheinverlagerung immer spitzer geworden war, kommt es beim „Heerdter Loch“ 1784 zur Katastrophe. Um Ddorfs Deiche zu retten, wird Heerdt geopfert, später wird es wieder geopfert, diesmal, um Oberkassel zu feiern
Auf der alten Kirmeswiese nördlich vom Krankenhaus erinnert ein Stein an die gewaltigen Geröll- und Sandmasen, die hier hineinschossen.

Das Strassendorf Heerdt(Alt Heerdt) liegt in der Verlängerung der Schießstr-Lörickerstr nach Lörick, weil Jan Wellem 1702 im Kampf um Kaiserswerth mit dem Habsburger Kaiser gegen die Franzosen von Lörick nach Stockum eine neue Fähre gebaut hatte ( die Kaiserswerther Fähre war versenkt worden) Der Feldweg in Stockum heißt bis heute Neußer Weg und endet im Nichts. Lörick war also wichtig, nicht die kleinen Höfe von Ober- und Niederkassel

Wegegelder sind im 18.Jh eine gute Quelle für Städte, hier für die Stadt Neuss. Die Zollbarriere stand an der wichtigsten Wegegabelung: Neuss oder Krefeld, dazu noch an der ältesten Strasse: der Römerstr B9 (vom Römerlager Novaesium über Neuss –Meer - Uerdingen nach Xanten.)
Die Barriere ist der bekannteste Wegweiser von Ddorf geworden, der
„Handweiser“, und hier liegt noch ein Unikum: Pfarrer Klinkhammers Bunkerkirche
Bei der Eingemeindung der Bürgermeisterei Heerdt (zum Kreis Neuss gehörend) in den Stadtkreis Düsseldorf 1909 wehrte sich Heerdt länger als alle anderen „neuen“ Stadtteile bis zuletzt. Der Hauptplatz heißt heute Nikolaus Knopp Platz, aber die Altheerdter grollen ihrem letzten Bürgermeister immer noch. Er hat ihre Gemeinde „verraten“ und als „Judaslohn“ auch noch den Posten des Ddorfer Beigeordneten bekommen. Als Herdter Bürgermeister verlegte er fast alle Amtsstellen nach Oberkassel. Die Bürgermeisterei firmierte früher stolz „Heerdt am Rhein“, dann ab 1900 „Oberkassel bei Düsseldorf“

In der Ecke am Handweiser hatten belgische Soldaten 1923 Baracken gebaut, die später zum Schönauviertel mutierten, was gar nicht so schön war. Tapfere Leute siedelten gleich nebenan in dieser unwirtlichen Gegend: die Rheinbahn, die Teekanne und die Rheinische Post.
Dieter Jaeger


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